Talk + Practice (1)
von
Silke Bake, Alice Chauchat, Bettina Knaup, Siegmar Zacharias, Anna Nowicka, Maria F. Scaroni
Eine Recherche- und Gesprächsreihe mit vier Ausgaben von und mit Silke Bake, Alice Chauchat, Bettina Knaup, Siegmar Zacharias und Gästen.
Teil 1
Gastgeberin: Alice Chauchat. Gäste: Anna Nowicka (Tänzerin/Choreografin) und Maria F. Scaroni (Tänzerin/Choreografin).
In ihrer derzeitigen choreografischen Auseinandersetzung begreift Alice Chauchat Tanz als eine Praxis der Subjektivität. Hier wird das Individuum als ein poröses Wesen verstanden, das sich unablässig im Werden befindet, während es dynamisch mit seinem Umfeld verflochten ist. Notwendigerweise ist dies auch eine Praxis der Relationalität. Relational sein/ Bezogen sein impliziert das Leben mit Alterität/ Anderssein. Der/die/das Andere ist immer unbekannt und zwingt uns die Existenz einer Erfahrung anderer anzuerkennen, die nicht zwangsläufig (oder zur Gänze) von uns geteilt ist. Wenn Erfahrung ein Modus des Kennens/ Wissens ist, wie kann also das Nicht-Kennen/ -Wissen zu einem Bestandteil von Erfahrung werden? Kann Tanz der Tänzer*in helfen, verantwortungsvoll empfänglich auf etwas zu reagieren, das sie nicht kennt? Am Abend des 28. Novembers laden wir Sie/ Euch ein zu tanzen, zu sprechen und zusammenzusein mittels Tänzen oder Tanzpartituren, die vorgeschlagen werden von Alice Chauchat und zwei weiteren den Choreografinnen. Dieses Format betont den instabilen/ ‚schwankenden’ Charakter der „Person“ und ihrer Kapazität von ihrem Umfeld affiziert/ tangiert zu sein versus einer fantasierten „Autonomie“. Es wird Gelegenheiten geben zu erfahren, wie wir durch Bezüglichkeiten produziert werden und es wird Raum entstehen, Verbindungen einzugehen mit mehr als dem, was wir wissen können.
Es wird kein spezieller Tanzhintergrund benötigt, nur ein Körper, Neugierde und komfortable Anziehsachen.
In englischer Sprache. Dauer: ca. 180 Minuten
Zu Ecologies of practice
Ein anhaltender Zustand der Krise, wie wir ihn heute erleben, ein Zustand, der zu keiner alten Ordnung zurückführen kann, weder durch Abgrenzung/ Ausgrenzung, noch durch disziplinierendes Denken, erfordert eine globale politische Handlungsfähigkeit und eine soziale Imaginationskraft, die das Nicht-Bekannte aushält und ein relationales Verflochtensein zur Kenntnis nimmt. Diese erfordert radikale Offenheit, Lust am Nichtwissen, an Unsicherheit, eine spekulative Grundhaltung, eine Bereitschaft in nicht-menschlichen und nicht vertikalen Kategorien, Zeit- und Raumdimensionen zu denken. Klassische Ökologie ist die Lehre von den Umweltbeziehungen, von der Verteilung und Bewegung von Energie und Materie in einem ‚Haus(halt)’. Mittlerweile wird der Begriff erweitert verwendet - als Ökologie des Sozialen, der Umwelt und des Geistes. In 'ecologies of practices' werden unterschiedliche Gesprächs- und Arbeits-Settings ausprobiert. Silke Bake, Alice Chauchat, Bettina Knaup und Siegmar Zacharias, die alle vier im Feld der zeitgenössischen Performing Arts arbeiten, nehmen ihre Arbeitsinteressen und -zugänge zum Ausgangspunkt, um mit Gästen aus dem zeitgenössischen Tanz und anderen Disziplinen und Wissensgebieten nachzudenken: Kategorien der Ästhetik (Techniken/Technologien, Ethik/Praxis, Form/Format, Produkt/Prozess und Subjekt/Objekt/Agent) werden auf ihre vielfältiges Bedingt- und Verwobensein hin, auf ihre Bewegungen hin untersucht.
Konzept 2016/17: Silke Bake, Kuratorin/ Dramaturgin/ Mentorin; Alice Chauchat, Choreografin/Tänzerin/Lehrerin; Bettina Knaup, Kuratorin/Autorin; Siegmar Zacharias, Künstlerin/Theoretikerin.
STUDIO 13 wurde 2015 von den Kurator*innenn Silke Bake und Jacopo Lanteri initiert und bietet Berliner Akteur*Innen aus dem Umfeld der zeitgenössischen Performing Arts Raum für Austausch über künstlerische Methoden und Arbeitsschwerpunkte.
Alice Chauchat ist Choreografin, Tänzerin, Assistentin, Lehrerin u.v.m. Zumeist choreografiert sie in Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen und hat zahlreiche Plattformen für Produktion und Wissenstransfer in den darstellenden Künsten mitbegründet (everybodystoolbox, PAF, praticable). 2010-12 war sie künstlerische Ko-Leiterin von Les Laboratoires d'Aubervilliers. Seit einiger Zeit richtet sich ihr Arbeitsschwerpunkt auf die Umwandlung von Wissen und Komplexität kollaborativer Praxis in ästhetische Erfahrung. www.alicechauchat.net
Bettina Knaup (Berlin) arbeitet international als Kuratorin und Kulturproduzentin an den Schnittstellen von Kunst, Politik und Wissensproduktion mit Schwerpunkt im Bereich Live Art, Performance und Gender. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Politikwissenschaft und Gender Studies in Köln und Dortmund. Sie war Programmkoordinatorin des künstlerischen und wissenschaftlichen open space forum der Internationalen Frauenuniversität, Hannover, Ko-Kuratorin des International Festival of Contemporary Arts, City of Women, Ljubljana und war am transdisziplinären Laboratium für Performancekünste In Transit (Berlin, Haus der Kulturen der Welt) beteiligt. Aktuellere Projekte umfassen die Performance Festivals Performing Proximities (Beursschouwburg, Brüssel) und performance platform. body affects (Sophiensaele Berlin, mit S. Bake) sowie das mehrjährige Ausstellungs- und Archivprojekt re.act.feminism #2 - a performing archive (Akademie der Künste Berlin, Antoni Tapies Foundation Barcelona, Tallinn Art Hall, a.o., 2011-2013, mit B. Stammer). Internationale Lehr- und Vortragstätigkeit sowie Jurymitgliedschaften, darunter Institut für Theaterwissenschaft, FU Berlin und Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz, Berlin. Seit Ende 2015 ist sie phd research fellow am Department of Drama, Theatre and Performance an der Roehampton University, London.
Siegmar Zacharias entwickelt seit 2003 Formate von Multimedia-, Theater-, und Lecture-Performances, die sich mit der Position der Zuschauer*in, der Frage von Wirkungsmacht (agency), dem Kontrakt des „willful supspension of disbelief“ und der kritischen Substanz, die er erzeugt, beschäftigt. Sie bewegen sich zwischen DoItYourself Low-Tech und High-Tech, Philosophie und Sinnlichkeit, Humor und Labor. Sie ist Gründungsmitglied der Gruppe SXS Enterprise und Initiatorin von WOW-wir abeiten hier, eine Austausch- und Rechercheplattform für Performancekünstler*innen in Berlin. Siegmar studierte Philosophie und Komparatistik in Berlin und London und Performance Art bei DasArts Amsterdam. Sie unterrichtet u.a. am HZT Berlin, DOCH Stockholm und DasArts Amsterdam. Mit ‚Dirty Talk’ entwickelt sie eine Praxis, die die Materialität des Sprechens erforscht. www.siegmarzacharias.com
5 € (incl. Suppe/Snack)