Die Figur der Hexe bietet meiner Praxis ein kristallines, vielschichtiges Denken und eine Oberfläche für symbolische Projektionen. In meiner Forschung in diesem Jahr habe ich mich mit den historischen Opfern der Hexenverfolgungen und ihren Prozessen (Anschuldigung, Verhör, Hinrichtung) beschäftigt, so wie sie in Gerichtsdokumenten, theologischen Debatten (z.B. im Hexenhammer) und in Holzschnitten (von 1300-1800) festgehalten sind. Diese Dokumente sind Ausgangspunkte für eine Praxis des spekulativen Feminismus (Donna Haraway) und einer somatischen Fantasie, die nach jenem Wissen sucht, das im Körper der Hexe und in dem Holz, das ihr* zur Seite gestellt wurde, lag.
Im August werde ich das Studio mit Josephine Brinkmann, Suvi Kemppainen, Johanna Ackva und einem Haufen Totholz aus dem Tegeler Forst teilen. Gemeinsam werden wir uns bewegen und über Texte von Silvia Federici, Jane Bennett und den anderen hier erwähnten nachdenken. Während wir stapeln, tragen, lehnen und auftürmen werden wir eine hölzerne Materialität einladen und unsere Aufmerksamkeit auf verschiedene Agencies, auf Stimmen, Körper und die Schwerkraft des Zusammenseins lenken.
Die Hexe ist eine Figur, die sich zwischen Binaritäten und Welten bewegen kann, die in zyklischer Weisheit verankert ist. Sie verkörpert phasenweise Existenz, ist intersektional und inklusiv. Eine Figur, die eher “power-within” als “power-over” (Starhawk) ausübt und aufgrund ihres illegitimen Zugang zur Macht verurteilt wurde. Wenn die Macht der Hexe nicht durch akzeptierte Logiken/Strategien wie ererbtes Privileg, kapitalistische Akkumulation oder gewaltsame Aneignung erlangt wurde, so handelt es sich um ein Wissen, eine Handlungsfähigkeit, die unsere heutige Welt sich dringend vorstellen oder wiederentdecken muss.
Der Haufen ist eine umfassende und chaotische Masse. Er ist voll von Spinnen, Insekten, verrottendem Material, frisch geschlagenem Holz, Schimmel, Bakterien, Gefallenem und Vergessenem. Der Scheiterhaufen ist eine Neuordnung, eine Ordnung dieser Materialien zum Zweck der von Menschen ersonnenen Bestrafung. Das menschliche Subjekt einbezogen, stellt der Scheiterhaufen eine beispielhafte Zusammenarbeit zwischen menschlichen und nicht-menschlichen Elementen dar. Wenn die Flammen ihr Werk getan haben, entsteht erneut ein Haufen – diesmal aus Asche, Erinnerungen, Knochen und Ästen, die nicht verbrannt sind. Staub setzt sich ab und neue Elemente gedeihen. Durch die Performance werden wir diese Formen erforschen und nach der Choreographie des Haufens und einer ästhetischen Geste der Wiederaneignung suchen.